Mme S. Gagnebin lebt in Lausanne und gehört zu den besten Schriftstellerinnen der Neuzeit. Sie erzählt : « Ich verheiratete mich jung und habe das Glück, glückliche Frau und glückliche Mutter zu sein. Als Leiterin eines grossen Mädchen-Pensionates bin ich sehr beschäftigt und schreibe nur zur Erholung in den Mussestunden.» Schon früh zeigte sich die Anlage zum Beruf als Schriftstellerin, denn in der Schule schrieb Mme Gagnebin besonders gern Aufsätze. Wie die vielbeschäftigte Frau so zahlreiche gediegene Werke abfassen kann, erscheint überraschend ; Mme Gagnebin besitzt das Geheimnis, jeden Augenblick auszunutzen. Zu ihren Werken gehören : « Une Trouvaille », wovon eine autorisierte Schulausgabe im gleichen Verlage erschienen ist, « Lil » u. a. Alle Schriften sind frisch aus dem Leben gegriffen und fesseln durch schöne Sprache und klare Charakterzeichnung. Darum sind sie ebenso wertvoll für Kenntnis der Sprache, wie für Bildung von Herz und Gemüt.
Die Erzahlung, die ich hiermit den deutschen Schulen übergebe, spricht in ihrer Schlichtheit und Sittenreinheit für sich selbst. Die Verfasserin entrollt ein Bild friedlichen Landlebens in der französischen Schweiz ; einfach und naturwahr mutet die auf diesem Hintergrunde sich abspielende Herzensgeschichte an ; rührend ist die Geschwisterliebe geschildert. Dass der idealste Charakter der kleinen Novelle ein aus Deutschland Eingewanderter ist, kann uns Deutschen nur willkommen sein.
Das Original bot zwar nirgends Anstössiges, war aber für Schulzwecke viel zu lang ; über die Hälfte musste wegfallen. Die Erzählung hat dadurch nicht verloren, indem nur Nebenhandlungen und -schilderungen weggeblieben sind, die mit der Haupthandlung in sehr lockerem Zusammenhange standen. Da das Werkchen nur mässige sprachliche und gar keine sachlichen Schwierigkeiten bietet, so kann es schon in III. und II. höherer Knabenschulen, in der 3. und 2. Klasse höherer Madchenschulen gelesen werden.
Zur Erleichterung der Lektüre in der Schule ist der Text in Kapitel mit besonderen Überschriften eingeteilt. Eine besondere Kapitel-Übersicht ermöglicht die schnelle Auffindung des zu lesenden Abschnitts. Zeilenzähler am Rande unterstützen diesen Zweck.
Frühling 1902.