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XVI Einleitung. und Yorkshire fielen ihnen zu. Besonders in letztgenannter Grafschaft war die bretonische Ansiedelung eine beträchtliche. Hier, wo Alan der Rote, Schwiegersohn Wilhelms des Er- oberers, Graf von Penthitivre in der Bretagne, in Richmond Hof hielt, soll die Zahl der bretonischen Lehen und Afterlehen nicht geringer als vierhundertundvierzig gewesen sein. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass unter den vielen Bretonen, die in England eine neue Heimat fanden, auch Spielleute waren ; es kann gleichfalls nicht zweifelhaft sein, dass bretonische Spiel- leute und Sänger, die im folgenden Jahrhundert nach England kamen, um hier durch ihre Kunst ihren Lebensunterhalt zu verdienen, mit diesen ihren Landsleuten in Verbindung traten. Musste es nun nicht eine erwünschte Bereicherung ihres Repertoires sein, wenn sie ausser den Liederstoffen, die sie aus der Heimat mitbrachten, auch neue Stoffe zu Liedern ver- wendeten, die ihrer Zuhörerschaft in England sicher recht und willkommen sein mussten ? So wird es denn in der That, wie der Dichter des französischen Gedichtes behauptet, ein bre- tonisches Harfenlied von Havelok dem Dänen gegeben haben, wenn auch die französischen Darstellungen nicht direkt auf dieses Harfenlied zurückgehen sollten. Hat man sich einmal mit dem Gedanken vertraut gemacht, dass bretonische Spielleute in England, besonders in Nord- england, neuen Stoff zu ihren Liedern fanden, so wird man geneigt sein auch das Entstehen dieses und jenes anderen Lais auf diese Art zu erklären. Ich möchte hierher in erster Linie das Lai vom Geisblatt rechnen. Wie man sich auch den Ursprung der Tristansage denken mag, wahrscheinlich entstand dieselbe im Norden Englands und gelangte von dort weiter nach Wales, Cornwall und der Bretagne. Wenn nun die aller- dings recht kurze Erzählung bei Marie keine kontinentalen Züge aufweist (Tristan stammt aus Suhhvales, V. 16), so ist es wenigstens nicht unmöglich, dass das zu Grunde liegende bretonische Lai im Norden Englands aus der dort verbreiteten Tradition entstand. Dieselbe Tradition hat denn auch den Romanen von Tristan als Unterlage gedient, und so ist es leicht erklärlich, dass Marie’s Darstellung sich mit diesen Fassungen berührt, wie es anderseits bei der Bildung der Dichterin uns nicht Wunder nehmen kann, wenn ihr, wie sie