Page:Die Lais der Marie de France, hrsg. Warnke, 1900.djvu/146

Cette page n’est pas destinée à être corrigée.

CXXVIII Anmerkungen zu alle Tage so früh aufstehe und nicht schlafen könne. Sie er- widerte, die Nachtigall erwecke sie und mache, dass sie auf- stehe. Der König verhiess ihr, sie an dem Vogel, der ihren Schlaf störe, rächen zu wollen, Hess Leimruten legen und Netze stellen, und bald ward die gefangene Nachtigall dem König gebracht. Die Königin bat ihn, ihr das Vöglein lebend zu geben, aber er tötete es und warf es vor sie hin. Dies Be- nehmen des Königs bewirkte, dass die Königin den Ritter nur noch mehr liebte. Sie sprach ihn ins Geheim und beklagte sich über den König, und der Ritter schickte tiberall hin zu seinen Freunden und bekriegte den König, der in dem Krieg sein Leben verlor. Der Hauptunterschied dieser Erzählung von dem Lai ist, dass die Liebenden sich am Ende heiraten, nachdem der König in dem von dem Liebhaber gegen ihn geführten Krieg das Leben verloren hat, wobei nicht gesagt ist, ob er es durch die Hand des Liebhabers verloren. Letzteres ist der Fall in der Fassung, in welcher die Geschichte in den Gesta Romanorum (Cap. 121 der Oesterley’schen Ausgabe) erscheint.’) Hiernach lebten in einer Stadt zwei Ritter, ein alter und ein junger. Der alte war reich und hatte eine junge schöne Frau, der junge aber war arm und hatte eine alte ihres Reichtums wegen geheiratet. Eines Tages ging der junge Ritter an dem Schlosse des alten vorüber, als dessen Frau in einem Fenster im Söller sass und lieblich sang. 2) Der junge Ritter verliebte sich als- bald in sie und gewann auch ihre Liebe, und sie besuchte ihn, wenn sie konnte, und ihr ganzes Streben war, wo möglich, ihn nach dem Tode ihres Mannes zum Manne zu bekommen. Vor dem Schlosse des alten Ritters stand aber ein Feigenbaum, und darauf sass nachts eine Nachtigall und sang so lieblich, dass die Dame alle Nächte aufstand und ans Fenster ging und lange der Nachtigall zuhörte. Als ihr Mann dies bemerkt hatte und sie deshalb zur Rede setzte, antwortete sie, auf dem

  • ) In der alten französischen Uebersetzung der Gesta Romanorura ’ Le

Violier des Ilistoires Romaines’ (nouvelle edition, revue et annotee par G. Brunet, Paris 1 858) ist die Erzählung Chap. CVI und stimmt genau mit dem lateinischen Texte Oesterleys. ) uxor senis militis in quadam fenestra in solario sedebat et dulciter cantabat. — Bei Oesterley steht fälschlich in solacio.