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CXIV Anmerkungen zu Der Verfasser des Graelent behielt die Einleitung und den Sehluss der ursprünglichen Erzählung bei. Er veränderte aber das zweite Moment, indem er an Stelle der natürlichen und folgerichtigen Schilderung von der Begegnung des Ritters mit der Fee die Sage von Wieland (= fr. Galant) und den Schwanen- jungfrauen, die ihm durch normannischen Einfluss zugeführt wurde, setzte. Was das dritte Moment angeht, so kannte er es sowohl in der ursprünglichen Gestalt (Königin auf Bank) als auch in der Fassung, die bei Marie vorliegt (Königin Potiphar). Er behielt die ursprüngliche Darstellung bei, konnte sich aber nicht entschliessen, die interessante Scene von der Liebe der Königin zu Lanval aufzugeben, stellte diese Episode aber an den Anfang der Geschichte, wo sie wenig Bedeutung hat. Der Verfasser des Graelent hat also nicht nach einer ein- heitlichen Quelle gearbeitet, sondern er hat seine Erzählung zusammengeschweisst aus : 1. einer Geschichte von Lanval, die der von Marie erzählten Fassung sehr ähnlich war, 2. einer älteren Version desselben Themas, aus der die in Graelent erhaltenen altertümlichen Züge (1, 3, 5) stammen, 3. der Ge- schichte von Wieland und den Schwanenjungfrauen. Wenn so Lanval uns die Sage in einer einfacheren, ur- sprünglicheren Form bietet als Graelent, so ist damit an und für sich nicht gesagt, dass Maries Gedicht älter ist als das des anonymen Dichters. Der Ton in Graelent ist, wie einzelne Motive, naiver und kindlicher als in Lanval, und das mag auch wol zu der Ansicht, als liege in Graelent eine ältere Fassung der Sage vor, beigetragen haben. Anderseits weist sicher die lange, spitzfindige Auseinandersetzung von der wahren Natur und Art der Minne, wie sie Graelent der Königin gegen- über giebt (V. 73 — 106), auf eine spätere Zeit hin. Dazu kommt, dass Graelent, wie jetzt auch Schofield S. 176 annimmt, wahrscheinlich auf dem Kontinent verfasst wurde, während die Spuren der ältesten Lais nach England führen. So ist es immerhin möglich, dass der Dichter des Graelent Kenntnis hatte von dem Lanval der Marie. Daraus würde sich die Uebereinstimmung des Ausdrucks an einer langen, wenn auch freilich nicht absolut beweiskräftigen Reihe von Stellen, die Kolls, Zur Lanvalsage, Berlin 1886, S. 2flF., aufführt, am ein- fachsten erklären.]