Page:Die Fabeln der Marie de France, hrsg. Warnke, 1898.djvu/139

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VII. LAUTKRITISCHES VERFAHKEN. CXXI

freilich durch Uebernahme aller ihrer Abweichungen die Varia Lectio anzuschwellen und unübersichtlich zu machen. Aber die Schreil)ung der Hss., die zeitlich allesamt mehr oder minder weit von Marie abliegen, genügte nicht, um überall zu leidlich sicheren Ergebnissen zu gehangen. Deshalb fragte ich denn auch in allen zweifelhaften Fällen jene Werke um Rat, die zur Zeit der Marie selbst in England geschrieben wurden. Es sind dies besonders der Canterbury- Psalter um 1160, die Bücher der Könige um 1170, die Oxforder Rolandhs. um 1170 und der Montebourg- Psalter (Ende des Jahrhunderts, doch mit viel altertümlicherer Sprache). Dass ich daneben auch den Alexius, den Computus, die Keimpredigt, Wace, die Wolfenbüttler Thomashs., den Yorker und Londoner Brandan u. a. in den Kreis der Betrachtung gezogen habe, bedarf nicht der weiteren Begründung. Ergiebt sich aus diesen Texten, dass die Schreibweise, die A bietet, am Ende des zwölften Jahrhunderts in England noch nicht gang und gäbe war, so können wir sie, glaube ich, getrost verwerfen und durch die ursprünglichere, welche die genannten Texte bieten, ersetzen. c) Schwanken aber die Hss. und die zur Hilfe gerufenen Texte auch schon in der Bezeichnung eines Lautes oder der graphischen Darstellung eines Wortes, so bleibe ich, um nicht allen Boden unter den Füssen zu verlieren, bei der Schreibart von A stehen und trage somit kein Bedenken, in gewissen Fällen Doppelformen im Texte zuzulassen.

Wenn ich G. Paris in seiner lehrreichen Besprechung der Ausgabe der Lais recht verstehe, so hätte er gewünscht, dass ich die Schreibart des Textes einheitlich gestaltet hätte. Ich habe mich, wie gesagt, auch jetzt nicht dazu entschliessen können. Die Frage ist, um ein praktisches Beispiel zu nehmen, die: soll man statt ai und e in geschlossener Silbe stets ai, bezw. e einführen, oder soll man der Hs. folgen und bald ai bald e setzen? Es steht fest, dass das Mittelalter keine einheitliche Schreibweise, keine Orthographie kannte, dass also Marie selbst nicht konsequent ai für e schrieb; es steht nicht minder fest, dass der Schreiber von A wie die Schreiber der anderen Hss. e für ai nach Belieben einsetzte. Ist es nun willkürlicher, überall sei es ai oder e einzuführen, obwohl wir wissen, dass die Dichterin nicht so konsequent war noch