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VI. REIHENFOLGE DER WERKE UND ABFASSÜNGSZEIT. CXVII Wenn somit die Lais in der Mitte der sechziger Jahre des Jahrhunderts entstanden, so sind die Fabeln in den siebziger oder achtziger Jahren Übersetzt, während das Gedicht vom Fegefeuer des hl. Patricias erst um 1190 folgte. Marie widmete, wie heutzutage allgemein angenommen wird, ihre Lais dem Könige Heinrich II. von England. Wer ist indess der Graf Wilhelm, ftlr den die Dichterin die Fabeln ttbersetzte? Ein Beweisstück, das das Mittelalter selbst uns bietet, kann vor der Kritik nicht bestehen. Das Gedicht ’Li couronnemens Renart’ ist zu ehrender Erinnerung an den im Jahre 1251 in einem Turnier gefallenen Wilhelm von Dampierre, dessen Gemahlin Margarete, Gräfin von Flandern, war, geschrieben. Im Epilog dieses Werkes heisst es nun: V. 3360 Et pour cou du conte Guillaume,

qui ceste honor eut enchacie,

pris mon prologue com Marie,

qui pour lui traita öJIsopet.

Da diese Stelle sicher nicht interpoliert ist — Zusammenhang, Sprache und Verstechnik verbieten eine solche Annahme — , so bleibt uns nichts anderes übrig, als in diesen Worten einen Irrtum des Dichters zu erblicken. Reinharts Krönung ist an einen Marchis de Namur gerichtet, in dem man mit Recht Gui, den Bruder jenes Grafen Wilhelm, erblickt hat. Um diesen in der ’Renardie’, ohne die ein Fortkommen in der Welt nicht mehr möglich wäre, zu unterrichten, knüpft der Dichter unmittelbar an sein Gedicht mit Hilfe einiger verbindenden Verse (s. Anh. I, p. 329) eine Abschrift der Fabeln der Marie. Der Dichter, der sein Gedicht erst geraume Zeit nach Wilhelms Tode abfasste, ehrte sein Andenken also durch den Prolog und den Ej)ilog seines eigenen Werkes und, was dem Ruhme des Grafen nicht Abbruch that, durch die Annahme, dass auch die Fabeln der Marie ihm zu Ehren abgefasst seien. Wie man indessen auch den Irrtum sich erklären mag, fest steht, dass wir es mit einem Irrtum zu thun haben und dass wir auf keinen Fall in Wilhelm von Dampierre den Grafen zu erblicken haben, dem Marie ihre Fabeln zueignete. ’Graf Wilhelm* muss im Gegenteil in der zweiten Hälfte des zwölften Jahrhunderts und wahrscheinlich in England gelebt